Die Regierungen Deutschlands und Namibias haben bei ihren Verhandlungen über den Umgang mit den Ereignissen während der Kolonialzeit die erste Hürde genommen. Dem deutschen Botschafter Christian Schlaga zufolge sprachen die Sonderbeauftragten Ruprecht Polenz und Zed Ngavirue während ihrer sechsten Verhandlungsrunde Ende September in Berlin erstmals über die Substanz des deutschen Positionspapiers. Es war Ende Juni überreicht worden und nahm detailliert Stellung zur namibischen Position. Ngavirue und seine Delegation, an der auch Vertreter der betroffenen Volksgruppen teilnahmen, hätten das Papier als Grundlage für die weiteren Gespräche akzeptiert, so Schlaga.

Über den Inhalt haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Allerdings hat Ngavirue der namibischen Nachrichtenagentur Nampa gegenüber offenbar frühere Medienberichte bestätigt, denen zufolge Namibia finanzielle Forderungen von mehr als 400 Milliarden Namibia Dollar (30 Milliarden US Dollar) stellt. Dies war auch Thema im Parlament. Die Oppositionspartei SWANU verlangte eine Aufschlüsselung der Summe in jeweils geforderte Beträge für die Kategorien der deutschen Vergehen wie Tötung, Sklavenarbeit, sexueller Missbrauch, Diebstahl des Landes und Entzug des Rechtes auf Selbstbestimmung. Außerdem fordert die Opposition Aufklärung über die offenbar überzogenen Honorare für ein Rechtsgutachten zu einer möglichen Völkermord-Klage gegen Deutschland. Die Regierung bestätigte, Anwälten in London dafür rund 35,4 Millionen Namibia Dollar gezahlt zu haben.

Auf dem Treffen der Delegationen in Berlin war außerdem die Rückführung von 22 weiteren Schädeln vorgesehen, die von Herero und Nama stammen, zu Forschungszwecken nach Deutschland gebracht worden waren und sich zurzeit noch in der Uni-Klinik Charité in Berlin befinden.

Indessen fand Anfang Oktober in New York eine weitere Anhörung wegen der Völkermord-Klage statt, die Opferverbände von Herero und Nama angestrengt hatten, weil sie nicht an den Gesprächen beteiligt sind. Auf Bitten des Anwalts der Kläger wurde die Anhörung auf Januar vertagt, weil die Klage der deutschen Regierung noch nicht zugestellt werden konnte. Dennoch waren Vertreter der Opferverbände nach New York gereist. Nama-Verbands-Vorsitzende Ida Hoffmann hatte sich dabei zudem darüber hinweggesetzt, dass sie kurz zuvor von Nama-Führern abgesetzt worden war. Die deutschen Aktivisten Christian Kopp und Reinhart Kößler, die die Opferverbände unterstützen, riefen die Nama-Führer auf, ihre Entscheidung zu überdenken.

Erschienen in der Rubrik „Deutsche Institutionen“ in der Print-Ausgabe des Namibiamagazins, Nr. 4/2017.

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Teaser-Bild:

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Dialog Kolonialzeit Namibia Deutschland Ngavirue Polenz Berlin November 2017

Verhandlungsrunde in Berlin: Die Sonderbeauftragten Ruprecht Polenz und Zed Ngavirue (vorne, 2. und 3. v.l.), die Botschafter Andreas Guibeb (vorne l.) und Christian Schlaga (hinten 2. v.r.) sowie der Regionaldirektor im Außenministerium für Sub-Sahara Afrika und Sahel, Georg Schmid (hinten rechts). Foto: Deutsche Botschaft Windhoek